Ich bin ein Boot, ein wunderschönes, altes Boot.
Bis vor kurzem lief ich noch mit einem alten Dieselmotor, ruckelte und zuckelte stotternd und hustend über den Thuner- und Brienzersee.
Am liebsten war ich mit meiner Besitzerin der Heide, mitten auf dem See unterwegs. Früh am Morgen und am späten Abend. Da war das Licht und die Luft überm See so besonders.
Die Heide ist eine liebevolle, lebenslustige Person und singt immer aus Leibeskräften. Nicht immer trifft sie den richtigen Ton, doch ich liebte jeden einzelnen davon, da er von Herzen kam.
Ebenso war es mit mir, ihrem geliebten «Böödli», wie sie mich immer nannte. Sie verstand nicht viel von meinem alten «Motörli» und oft schipperten wir hustend über die See. Meinen schrumpeligen schuppigen Bootskörper hielt sie jedoch nach besten Kräften und Wissen in Ordnung.
Alle Jahre wieder bekam ich einen neuen farbenfrohen Anstrich und wurde gewachst und geölt wo es nötig war.
Vor einiger Zeit brachte sie dann einen neuen kleinen Menschen mit an Bord. Nun wurde unser Leben gemeinsam noch freudvoller und lustiger.
Manchmal, dass sage ich ohne Scham, waren mir die beiden zusammen zu viel und ich sehnte mich nach den Zeiten der einsamen Stunden mit Heide zurück. Doch wenn ich das Lachen und die lustvolle Freude vernahm, vergass ich diese Gedanken schnell wieder.
Nun sind einige Wochen vergangen in denen ich meine Heide nicht gesehen habe und auch das kleine Menschlein nicht. Ich komme nicht umhin mich besorgt zu fragen, was wohl geschehen sei.
Doch da kommt gerade ein riesiger Lastwagen mit Kran um die Ecke und ich schaue ihm besorgt entgegen. Er fährt auf mich zu und mir bleibt nur zu akzeptieren, dass er wohl mich ansteuert, denn ich kann ohne meine Heide ja nicht entkommen,
Als er knarrend und quietschend vor mir zum Stehen kommt, springt da meine allerliebste Heide aus der Tür und rennt, naja wie eben eine junggebliebene Dame so rennt, auf mich zu. Sie fuchtelt wild mit den Armen und ich erahne mit Graus was sie sagt. Dieser Mann an dem riesigen Kran soll mich wohl hier aus meinem Wasser holen. Ich werde wohl gerade einige Farbtöne heller und mein wunderschönes Blau sieht sicher sehr unschön aus. Da packt mich auch schon der große Arm vom Kran und Schwupps die wupps bin ich angehoben und auf den Lastwagen geladen. Meine Heide läuft um mich herum und tätschelt mich liebevoll, dabei kontrolliert sie ob ich gut festsitze.
Schreck, oh Schreck wo geht es denn nur hin? Was hat sie vor? Hat mein letztes Stündlein geschlagen? Fragen über Fragen jagen durch meine Steuerung, doch am Ende bleibt mir auch hier nur zu vertrauen!
Nun geht die Fahrt los und ich gestehe mir wird ganz schön mulmig, wir reisen in ein Dörfchen, weit oben auf dem Berg, weit weg von meinem geliebten See. Und da ah, da sehe ich es ich komme auf eine Bootswerft und da stehen auch andere wunderschöne alte und neue Boote.
Dort angekommen höre ich wie meine Heide mit einem bärtigen Mann spricht. Es scheint mir es geht um mich. Was ich höre lässt mich ein wenig Hoffnung schöpfen, es geht um neue Farben neue Ausstattung und einen nigelnagelneuen Motor.
JUHU das tut einem doch in die Jahre gekommenen Kahn wie mir sicher gut.
Bereits am nächsten Morgen geht es los mit Schleifmaschine und einigem mehr. Es wird den vielen Farbschichten zu Leibe gerückt und am Ende des Tages erkennt man mein wunderschönes Holz wieder in neuem Glanz, ganz ohne Lack und verrückten Farbklecksen.
Ja und so geht meine Verwandlung weiter und nach einigen Wochen kommt meine Heide mit dem kleinen Menschlein zu Besuch und gemeinsam bestaunen sie mich.
Heide erzählt dem kleinen Menschlein alles was sie noch mit mir vor hat und weshalb sie mich so ganz fest runderneuern möchte. Mein Herz läuft über vor Glück. Sie will mit mir eine neue große Reise machen und dafür macht sie mich nun parat.
Das kleine Menschlein staunt und singt freudig einige tolle Lieder, die wir auf unserer Reise sicher noch öfter hören werden.
Mein Herz wird weit und ich bin selig, ich weiss nicht wo mich unser neuer Weg hinführen wird, doch ich bin bereit! Ich bin mir sicher mit meiner Heide alle Hindernisse und Stürme umschiffen zu können oder eben heil zu durchsegeln.
Was braucht es mehr als diese Zuversicht, Liebe und Lebenserfahrung.
Kristen Anhalt